Was tun gegen LongCovid?
Die Pandemie der Unbehandelten
Verzweifelte Betroffene, vorsichtige Behörden und hoffende Wissenschaftler:innen - sie alle schauen auf das Medikament BC 007. Könnte es helfen, die "LongCovid-Pandemie" einzudämmen?
von Felina Czycykowski
1. Kapitel: Deutschland ist betroffen
Die Menschen sterben auf Raten
Seit über einem Jahr leidet Ricarda Piepenhagen an LongCovid.
Bild: Volker Penne, Ostseezeitung, 30.10.22
Ich war vor Corona top-fit. Ein Atomkraftwerk voller Energie. Kein Zipperlein, keine Medikamente. Voller Adrenalin und Tatendrang, der Kopf meiner Familie. Man hätte mich schon umhauen müssen, um mich endlich mal zur Ruhe zu bringen.”
Sie arbeitet hart als Leiterin einer Schule für Deutsch als Zweitsprache.
Wie so viele infiziert sie sich bei der Arbeit mit dem Coronavirus. Den Tag wird sie nie vergessen:
17. November 2021
Ricarda Piepenhagen liegt mit einer Infektion zu Hause im Bett. Husten. Fieber. Geschmacksverlust. Und es wird schlimmer, Woche für Woche.
Wenn Ricarda Piepenhagen schildert, wie Covid-19 ihr Leben zerstört hat, wird ihre Stimme brüchig. Weil sie immer wieder Dinge vergisst, hat sie sich aufgeschrieben, wie sie sich damals fühlte:
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Und das Leid sollte gerade erst beginnen
LongCovid ist oft unsichtbar. Um die Krankheit darzustellen, wurde eine künstliche Intelligenz mit Schlagworten von Betroffenen gefüttert. Das kam dabei heraus.
Dicke Gefäße durchziehen plötzlich meinen Körper. Mein Busen ist blau verfärbt. Meine Füße eiskalt und ich erwache am Morgen ohne Hände. Nur die Stümpfe meiner Arme spüre ich dann noch. -Ricarda Piepenhagen
Was früher war - und jetzt nicht mehr geht:
Früher: Leiterin und Koordinatorin einer Schule.
Heute schreibt sie plötzlich Wörter falsch.
Früher: wenig Schlaf, viel Energie.
Heute leidet Ricarda Piepenhagen an einer Fatigue, schon nach kurzen Perioden muss sie sich ausruhen.
Früher: Organisationstalent.
Heute werden Lichter und Geräusche zur Reizüberflutung.
Ricarda Piepenhagen ist nicht allein: In ganz Deutschland sind etwa 5 bis 10 Prozent der an Covid-19 erkrankten Personen genesen - aber nicht gesund. Und die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die Krankheit wirkt nach:
#nichtgenesen
Oft fängt LongCovid mit harmlosen Symptomen an. Aber sie können schnell schlimmer werden:
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2. Kapitel: Die Suche nach Antworten
3 bis 10 Millionen LongCovid-Patient:innen gibt es deutschlandweit. Täglich werden es mehr. Auch der Bundesgesundheitsminister ist verzweifelt. Wie ist diese Krankheit zu verstehen?
6.5 Millionen Euro steckt Deutschland in die Erforschung der neuen Krankheit. Im internationalen Vergleich ist das wenig. Spitzenreiter sind die USA:
Hat ein Berliner Unternehmen die Pille danach für LongCovid entdeckt?
Ricarda Piepenhagen hofft auf ein Wunder. Und meint es im Medikament BC 007 des Unternehmens Berlin Cures gefunden zu haben.
50 Milligramm Hoffnung? Das Medikament BC 007 ist noch nicht zugelassen.
Wie es wirkt? Bei LongCovid geht das Immunsystem der Betroffenen offenbar gegen sich selbst vor. Autoantikörper kämpfen auch nach der akuten Infektion weiter, obwohl das nicht mehr nötig ist. Hier setzt BC 007 an: In der Petrischale konnte es die Autoantikörper neutralisieren.
Die "Wunderpille" gegen LongCovid?
Im Chat nennen Betroffene das Medikament so. Wunschdenken? Oder hat die Hoffnung eine tatsächliche Grundlage?
BC 007 wurde ursprünglich für Patient:innen mit Herzinsuffizienz entwickelt. Aber erste Anwendungen bei LongCovid-Patient:innen sind vielversprechend: Ein Patient aus Erlangen hat das Medikament gut vertragen und berichtet, dass seine Leiden erheblich schwächer geworden sind. Aber lässt sich das auch auf andere Patient:innen übertragen?
So sieht BC 007 im Modell aus.
Der wissenschaftliche Bericht über den Fall aus Erlangen: "Frontiers in Medicine - Ophthalmology"
3. Kapitel: Was wir noch nicht wissen
Erstaunlich, sagen Betroffene. Vorsicht, mahnt der Gründer von Berlin Cures, Johannes Hartwig Müller:
Interview vom 06.12.22, Felina Czycykowski
BC 007 wird per Infusion in den Körper gebracht. Das Medikament hat eine Halbwertszeit von 12 Minuten. Das heißt, nach 12 Minuten baut es der Körper wieder ab. Die wohl größte Stärke des Medikaments, sagt Müller:
Wir verlängern die Infusionsdauer. Auf etwa zwei Stunden. So haben wir ein Medikament, was - weil es so schnell verschwunden ist - keine Nebenwirkungen macht. Das ist das Schöne.
Keine Nebenwirkungen? Ob sich die Einschätzung bewahrheitet, wird sich erst nach der klinischen Studie zeigen.
BC 007 - die Lizenz zum Heilen?
100 Teilnehmer:innen werden nun in einer sogenannten "randomisierten Studie" getestet. Ein Teil von ihnen erhält das Medikament. Der andere Teil eine Kochsalzlösung. Weder Mediziner:innen noch Patient:innen wissen, wer mit BC 007 therapiert wird - und wer nicht.
Von einem Placebo-Effekt, also einer Wirkung trotz Kochsalzlösung, ist auszugehen. Johannes Müllers Ziel: BC 007 muss besser sein als der Placebo-Effekt.
Wann kommt die Zulassung?
2024? Sicher ist das allerdings nicht. Mit Lieferproblemen rechnet Johannes Hartwig Müller nicht. Für jede und jeden der Betroffenen wird dann genug BC 007 da sein. Doch soweit muss es erst einmal kommen:
Das Problem mit der Zulassung
Bevor das Medikament in einer klinischen Studie getestet werden kann, muss die Zulassung bei der zuständigen Behörde eingegangen sein.
Und jetzt wird es kompliziert: Das Unternehmen Berlin Cures sagt, der Antrag liegt beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das wiederum verweist an die European Medicines Agency - und möchte sich nicht zum Medikament äußern:
Und wie geht es jetzt weiter?
Die Behörden schweigen. Doch auch der politische Druck wird größer - Stefanie Drese, Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern:
Es ist Dezember 2022. Seit über einem Jahr lebt Ricarda Piepenhagen mit LongCovid.
Für sie geht all das zu langsam - die Studien, die Zulassung, die politische Debatte. LongCovid ist für sie mehr als eine Krankheit:
Das fühlt sich für viele wie eine unterlassene Hilfeleistung an und stellt die leiseste humanitäre Katastrophe der Welt dar.
Ricarda Piepenhagen verspricht sich viel von BC 007. Bisher wurde das Medikament aber erst an vier Proband:innen getestet. Die Ergebnisse sind vielsprechend. Aber natürlich muss das Mittel gut getestet werden, bevor es auf den Markt kommen kann.
Nun steht die klinische Studie an. Nebenwirkungen müssen ausgeschlossen werden. Sollte BC 007 alle Tests bestehen und die Hoffnungen erfüllen, wird es vielleicht die von Ricarda Piepenhagen erhoffte "Wunderpille" sein, um ihr Leiden zu lindern.
Die KI hat aus den Stichworten "Wunder", "Heilung" und "Hoffnung" dieses Bild erstellt.